Maybrit Illner – Revolution in Nahost

Revolution in Nahost – Chance für die Freiheit oder die Islamisten?

Gäste: Peter Scholl-Latour (Journalist und Nahost-Experte), Henryk M. Broder (jüdischer Publizist), Jürgen Todenhöfer (Islam-Kenner und Friedensaktivist), Melinda Crane (US-amerikanische Journalistin, hat seit den 1970er Jahren enge Kontakte nach Ägypten), Aktham Suliman (berichtet für den arabischen TV-Sender Al Jazeera aus Deutschland)

Niemand kann sich der Faszination der Bilder aus Kairo entziehen: Mehr als eine Million Menschen friedlich demonstrierend auf der Straße – in einem Land, in dem jeder Widerstand gegen das Regime noch vor wenigen Tagen undenkbar war. Präsident Mubarak auf dem Rückzug von der Macht, sein ebenso absolutistisch regierender Kollege Ben Ali hat Tunesien bereits fluchtartig verlassen. Auch im Jemen kündigt der Diktator seinen Amtsverzicht an.

Ein Flächenbrand, der an den Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums erinnert, an den Mauerfall, an die friedliche Revolution in Osteuropa – eine Entwicklung, die jeder Demokrat nur mit freudiger Sympathie beobachten kann, die aber auch unübersehbare Risken mit sich bringt: „Die Unruhen in Nordafrika könnten den Friedensprozess in Nahost nachhaltig stören“, warnt Peter Scholl-Latour, „wenn nun ein radikal-islamisches Regime dazukäme, würde die Lage äußerst bedrohlich.“

Bedrohlich nicht nur für den Friedensprozess. Bedrohlich auch für unsere Öl- und Gasversorgung. Und bedrohlich für Israel. Eine Chance für Islamisten? Nein, sagt der Islam-Kenner und Friedensaktivist Jürgen Todenhöfer, auch eine Chance für den Westen. Die Gefahren dürften die Freude über diesen Prozess nicht überlagern: „Der Westen muss die islamische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt“.

Seit Jahren hatte sich in der arabischen Welt eine Spannung aufgebaut zwischen einer jungen, dynamischen, häufig verarmten Gesellschaft und vergreisten, korrupten autokratischen Führern. Die USA und Europa haben diese Entwicklung mit einer Mischung aus Sympathie und Sorge beobachtet: Sympathie, weil die Demonstranten in Tunis, in Kairo und anderswo für sich und für ihr Land Reformen fordern, die den fundamentalen Werten westlicher Demokratie entsprechen.

Aber im Zweifel hat sich der Westen auf die Seite der Machthaber geschlagen – aus Sorge, dass die revolutionäre Eigendynamik diese nicht nur für unsere Energieversorgung wichtige Region in lang anhaltende Wirren stürzen und am Ende Extremisten und Islamisten zur Macht verhelfen könnte. Am größten ist diese Angst natürlich in Israel. Regierungschef Benjamin Netanjahu warnt davor, dass eine „organisierte islamistische Bewegung“ sich das Chaos zunutze machen könnte.

Wohin steuert Ägypten nach Mubarak? Welche Chancen hat die Demokratie im Nahen Osten? Müssen wir Angst vor neuen „Gottesstaaten“ haben? Vor Islamisten?

Hinterlasse einen Kommentar